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Der TIWAG droht 2010 großes Ungemach:
Ausstieg der EnBW aus Sellrain-Silz könnte mehr als 80 Mio. Euro kosten
Seit Juli 2008 ist die TIWAG in einen Rechtsstreit mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW) verwickelt. Diese verlangt für den von ihr gelieferten Tauschstrom aus Kohlekraftwerken die Nachzahlung der anteiligen Kosten für die seit 2005 benötigten CO2-Zertifikate. Ein diesbezügliches Verfahren ist in der Schweiz anhängig. Zudem steht auch ein Totalausstieg der EnBW aus dem Sellrain-Silz-Vertrag im Raum, der die TIWAG mehr als 80 Millionen Euro kosten würde.
Der im größten TIWAG-Kraftwerk erzeugte Spitzenstrom fließt seit Inbetriebnahme zur Gänze in den süddeutschen Raum. Bayern (vormals Bayernwerke AG, jetzt EON) und Baden-Württemberg (vormals EVS, jetzt EnBW) verfügen seit Inbetriebnahme 1981 je über eine Turbine in Silz und eine Pumpturbine im Kühtai, darüberhinaus über Speicherraum und Zufluss zur eigenständigen Bewirtschaftung von Sellrain-Silz.
Die ersten Verträge wurden bereits vor dem Baubeginn der Kraftwerksgruppe im Dezember 1976 unterzeichnet. Der in Tirol erzeugte Spitzenstrom sollte gegen eine größere Menge Grundlaststrom aus deutschen Atomkraftwerken abgetauscht werden, was mit den Bayern auch funktionierte. Die Schwaben aber mussten, weil ihr damals aktuelles AKW-Projekt in Wyhl durch heftigen Bügerwiderstand zu Fall gebracht worden war, für den Strom aus Tirol anfangs bar bezahlen. Erst 1992 konnte der Vertrag mit EVS in einen Energietauschvertrag umgewandelt werden, wobei das Tauschverhältnis von Spitzenstrom zu Grundlaststrom mit 1:2 festgesetzt wurde. Zusätzlich wurden, wie beim Vertrag mit den Bayern (hier nachzulesen), anteilige Ausgleichszahlungen der TIWAG für Brennstoffkosten vereinbart. Als Referenzkraftwerk, anhand dessen diese Kosten berechnet werden sollten, wurde der eben errichtete Block 7 des Steinkohlekraftwerks in Heilbronn auserkoren. Exakt die dort für bestimmte Aufwendungen anfallenden Kosten sollten anteilig für den von EVS (seit 1997: EnBW) bezogenen Strom der TIWAG in Rechnung gestellt werden.
Die EnBW führen Sellrain-Silz stets als „Beteiligung“. In der Tat sind den Schwaben zusammen mit den Bayern vertraglich unumschränkte Rechte zur Betriebsführung der Kraftwerksgruppe eingeräumt worden.
In Heilbronn am Neckar steht das Kohlekraftwerk, für dessen Betriebskosten die TIWAG entsprechend ihrer Bezugsmenge aufzukommen hat.
Streitgegenstand Verschmutzungskosten
Seit 2005 ist auf Grund des Kyoto-Protokolls nun auch für die Verschmutzung der Umwelt durch Kohlendioxyd zu bezahlen. Das Kohlekraftwerk Heilbronn stößt pro Jahr ca. 4,4 Millionen Tonnen CO2 aus und muss dafür sogenanne Emissionszertifikate zukaufen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz). Der Marktpreis pro Tonne CO2-Verschmutzung liegt derzeit bei etwa 14 Euro, war aber auch schon wesentlich höher.
Genau um diese zusätzlichen Kosten ist 2008 der Streit zwischen TIWAG und EnBW entbrannt, weil letztere auf dem Standpunkt steht, dass die TIWAG auch daran den entsprechenden Anteil zu bezahlen habe. Im 1992 abgeschlossenen Vertrag ist von CO2-Zertifikaten logischer Weise noch keine Rede.
Die Auseinandersetzung ist seit Juli 2008 bei einem Schiedsgericht der Schweizerischen Handelskammer in Zürich anhängig. Die dortige Schlichtungsstelle hat den Streitbetrag fürs erste mit zehn Millionen Euro festgesetzt.
Eitel Wonne bei der feierlichen Unterzeichnung des erneuerten Sellrain-Silz-Vertrages zwischen TIWAG-Vorstand und EVS-Vorstand am 9. September 1992 in Barwies
Inzwischen geht es freilich bereits um viel mehr. Die Energie Baden-Württemberg will aus dem noch bis 2017 laufenden Sellrain-Silz-Vertrag komplett aussteigen und sich die Restnutzungsdauer von der TIWAG teuer ablösen lassen. Die streng geheimen Verhandlungen darüber sind noch im Gange, wobei die TIWAG nicht das Gefühl hat, von ihren Partnern ernst genommen zu werden. Das Ergebnis könnte in Kürze vorliegen.
Der dohende Ausstieg der EnBW dürfte die TIWAG zwischen 80 und 90 Millionen Euro kosten.
29.12.2009
Reaktionen:
Aufmacher TT, 30.12.2009
ORF Tirol online, 30.12.2009
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