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Warum fördert und protegiert die Tiroler Volkspartei Nazikomponisten?

Vom massiven Steuergeldeinsatz der ÖVP-Landesregierung für die Werkpflege einer ganzen Reihe berüchtigter Nazimusiker war hier schon etwas die Rede. Aber offenbar zu wenig. Die Tiroler Volkspartei bettelt regelrecht darum (hier), dass dies noch viel mehr bekannt gemacht wird. Kann sie natürlich haben. Sofort. Aber auch im Prozess, den sie gegen mich angestrengt hat und in dem sie mir unterstellt, ihr eine Nähe zum Nationalsozialismus zu unterstellen, wird das ein großes Thema sein.

Die Kulturpolitik des Landes liegt seit 1945 ausschließlich in den Händen der Volkspartei. Und so schaut sie auch aus. Aber reden wir nur von den letzten Jahren. 2008 (!) hat die Tiroler Volkspartei die Landesmusikschule in Kramsach in „Sepp Tanzer Landesmusikschule“ umbenannt. Umbenannt nach dem seinerzeitigen Gaumusikleiter (1938 – 1945) und Schöpfer des „Gauleiter-Hofer-Marsches“.



Sepp Tanzer (mit verschränkten Armen) leitet den Gaumusikzug – hier in den Uniformen der politischen Leiter - 1943 am Adolf-Hitler-Platz in Innsbruck (Original-Dia Archiv M.Wilhelm)

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„Sepp Tanzer Landesmusikschule“


Besonders üppig fördert die seit 2008 in Regierungsämtern befindliche ÖVP-Spitze Aufführungen und CD-Einspielungen von Nazikomponisten. Vorsichtige Schätzungen gehen von weit über 100.000 Euro aus, die die Kulturabteilung des Landes unter Landesrätin Beate Palfrader für die verharmlosende verherrlichende Werkpflege (Beispiel) wirklicher Hardcore-Nazis blanko zur Verfügung gestellt hat. Diese Subventionen ergingen an das private „Institut für Tiroler Musikforschung“, das sich dafür mit einer ellenlangen Eloge auf Palfraders Vater Sepp Landmann erkenntlich gezeigt hat. So steinig das Land, so sumpfig die politische Landschaft.


Die von der Tiroler Volkspartei propagierten Hardcore-Nazikomponisten (Auswahl)

Karl Senn (1878 – 1964)

Karl Senn war eine universelle markante Tiroler Musikerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts. Er kam in seiner künstlerischen Größe zu Lebzeiten kaum angemessen zur Geltung.

Manfred Schneider, Institut für Tiroler Musikforschung




Karl Senn, Liederbuch ostmärkischer Soldaten, Zentralverlag der NSDAP (1941)


Emil Berlanda (1905 – 1960)

Emil Berlanda war ein überaus begabter Komponist und ein großartiger Musiker. Sein durchwegs geniales Gesamtwerk gehört zu den verehrungswürdigen Kulturschätzen des Landes Tirol. Er stellte sein musikalisches Talent ausschließlich in den Dienst der Kunst.

Manfred Schneider, Institut für Tiroler Musikforschung




Obiges Kampfgedicht aus der „Neuesten Zeitung“ vom 2. April 1938 hat Emil Berlanda - ausgerechnet am 10. April 1938, dem Tag der „Volksabstimmung“ - aufwendig für Chor und Blasorchester vertont und die Komposition als Geburtstagsgeschenk an Adolf Hitler gesandt. Dafür hat er aus dessen Privatkanzlei ein Dankschreiben erhalten. Auch Landesrätin Palfrader freut sich offenbar über solche „Schätze der Tiroler Musiklandschaft“.


Joeseph Eduard Ploner (1894 – 1955)

Josef Eduard Ploner war ein geradliniger Mensch, der auch den Konflikt nicht scheute, wenn es um die gute Sache ging. Sein Charakter war der eines klassischen idealtypischen Tirolers.

Manfred Schneider, Institut für Tiroler Musikforschung




Geradezu vergöttert und in den Komponistenhimmel der ganz Großen gehoben wurde von dem - nocheinmal: mit Landesbudgetmitteln überhäuften - Institut für Tiroler Musikforschung Joseph Eduard Ploner. Ploner war in den Zwanziger Jahren bereits Mitglied der antisemitischen und deutschnationalen „Großdeutschen Volkspartei“, trat 1933 der NSDAP bei, nach deren Verbot der illegalen NSDAP, auf die er 1937 sogar geheim vereidigt wurde, und schließlich nach dem Einmarsch Hitlers neuerlich der NSDAP.


Ein wissenschaftliches Gutachten für den Landhaus-Safe

Der öffentliche Druck, etwas zu tun, wurde größer und größer (auch hier). Und so rieten die ÖVP-Parteistrategen der Landesrätin in ihrer Not, ein amtliches Gutachten über die Rolle der Nazi-Komponisten in Auftrag zu geben, um vorerst einmal über den heiklen Landtagswahltermin drüber zu kommen (hier).

Der Befund des Historikers Michael Wedekind (Forschungsschwerpunkt Nationalsozialismus) liegt der Kulturabteilung nun seit über zwei Monaten vor. Sie will ihn aber partout nicht öffentlich machen. Vermutlich ist nicht das Erhoffte herausgekommen. Vermutlich steht gar Schlimmes darin. Vermutlich Fürchterliches. Auf meine Aufforderung, das von uns allen bezahlte Gutachten herauszurücken, teilt mir das „Büro Palfrader“ mit, dass „eine Verpflichtung zur Herausgabe (…) nach Rücksprache mit der Abteilung Verfassungsdienst des Amtes der Tiroler Landesregierung - aus der Auskunftspflicht nach dem Tiroler Auskunftspflichtgesetz nicht abgeleitet werden“ kann. (Tipp: letzten Satz noch einmal lesen!)

Die Öffentlichkeit hat das Gutachten erzwungen und die Öffentlichkeit hat es bezahlt! Die ÖVP-Landesrätin aber erklärt es zur Verschlusssache und versperrt es im Landhaus-Safe!

Wir sind ja allerhand gewöhnt in Tirol, was die Verschwendung öffentlicher Gelder anlangt, aber: ein kostspieliges Fachgutachten zur „Geheimsache“ gegenüber der Bevölkerung zu erklären, stellt doch einen neuen Höhepunkt in puncto Verpulvern von Steuermitteln dar und mehr noch in puncto politischer Hybris.

Der Grund für das Bunkern des Gutachtens soll nach internen Informationen darin liegen, dass das Gutachten nicht nur eine äußerst kritische Beurteilung der geförderten Komponisten enthält, sondern auch mit der von der ÖVP-Kulturabteilung in dieser Sache geübten Förderpraxis selbst hart ins Gericht geht.

Das Gutachten, mit dem Palfrader sich retten wollte, ist zur Anklage ihrer Kultur- und Förderpolitik geraten. Und die Weigerung, es herauszurücken, zum Skandal.

Ist das alles nur meine persönliche, völlig abwegige Ansicht? Keineswegs. Auch Autoritäten auf dem Gebiete der Musik und der Musikforschung beurteilen die posthume landesoffizielle Würdigung von NS-Größen wie Ploner, Senn, Berlanda, Kanetscheider und Tanzer als ungeheuerlich und empörend.

Ich habe mit drei herausragenden Kennern der Szene Interviews geführt:


Interview mit Thomas Nußbaumer

Thomas Nussbaumer, geb. 1966 in Hall, Musikwissenschafter; promovierte über musikalische Volkskunde unter dem Nationalsozialismus, a.o. Prof. am Mozarteum in Innsbruck, einer der Forschungsschwerpunkte: Volksmusik und Nationalsozialismus


Wie beurteilen Sie diese Nazikomponisten, deren Werkpflege von der
ÖVP-Landesregierung so massiv gefördert wird?

Nussbaumer: Die Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Tiroler Komponisten“ waren zum Teil dezidiert NS-ideologisch und antisemitisch (insbesondere Josef Eduard Ploner) und grundsätzlich antimodernistisch (z.B. Koch, Senn, Berlanda). Die Pflege ihrer Werke ist nur dann sinnvoll, wenn diese ausreichend kontextualisiert werden. Das geschah bisher zu selten und war der Auslöser für die längst schon überfällige öffentliche Diskussion über Musik und Kultur im Nationalsozialismus in Tirol.


Auf öffentlichen Druck hin hat die ÖVP-Landesregierung ein Amtsgutachten zur Musik in der NS-Zeit in Auftrag geben müssen, von uns Steuerzahlern finanziert, das jetzt aber unter Verschluss gehalten wird? Was sagen Sie dazu?

Nussbaumer: Das Gutachten sollte unbedingt veröffentlicht werden! Die Landesregierung wäre auch im eigenen Interesse gut beraten, gerade in diesem sensiblen Themenfeld völlige Transparenz walten zu lassen.


Setzt sich die ÖVP-Kulturpolitik damit nicht sehr dem Verdacht aus, den heutigen Vermittlern dieser Musik, CD-Produzenten und Veranstaltern von Konzerten der braunen Komponisten, die Mauer zu machen, sie vor berechtigter Kritik zu schützen?

Nussbaumer: Jedenfalls nährt die Geheimhaltung des Gutachtens Spekulationen und schadet eigentlich der Kulturpolitik.


Wie sollte das Land Tirol mit dem bis heute geheimen Gutachten über die geförderten Nazikomponisten umgehen?

Nussbaumer: Man sollte das Gutachten auf der Homepage der Kulturabteilung veröffentlichen.


Noch so eine Nazi-Schweinerei von der ÖVP-Landesregierung: Im Jahre 2008 (!) hat sie die Landesmusikschule in Kramsach nach dem seinerzeitigen Gaumusikleiter Sepp Tanzer in „Landesmusikschule Sepp Tanzer“ umbenannt. Was sagt man dazu?

Nussbaumer: Die Schule nach Sepp Tanzer zu benennen, war schon damals skandalös und ist es heute umso mehr! Denn spätestens seit unserem Symposion „Musik und Nazismus in Tirol“ (November 2012) weiß man, in welch großem Ausmaß Sepp Tanzer für das NS-Regime agiert und Propaganda betrieben hat. Diese Umbenennung sollte man schleunigst revidieren!





Im Auftrag des Gauleiters hat Joseph Eduard Ploner dieses „Liederbuch für Front und Heimat“ 1942 herausgegeben. Es enthält auch mehrere Vertonungen übelster Nazi-Gedichte aus der illegalen Zeit durch Ploner.



Interview mit Kurt Drexel

Kurt Drexel, geb. 1954 in Reutte; promovierte über „Musikwissenschaft und NS-Ideologie“, Co-Herausgeber der dreibändigen Musikgeschichte Tirols, lehrt an der Universität Innsbruck und forscht zum Thema „Musik und Identität im Reichsgau Tirol/Vorarlberg von 1938 bis 1945“.


Wie beurteilen Sie diese Nazikomponisten, deren Werkpflege von der
ÖVP-Landesregierung so massiv gefördert wird?

Drexel: Im Mittelpunkt steht hier sicher Josef Eduard Ploner, der aus meiner Sicht der am umfangreichsten in der NS-Kultur engagierte Komponist im Deutschen Reich war. Antisemitismus und Antimodernismus prägten sein Werk, seine öffentlichen Stellungnahmen und seine rassische Volksmusikforschung.


Auf öffentlichen Druck hin hat die ÖVP-Landesregierung ein Amtsgutachten zur Musik in der NS-Zeit in Auftrag geben müssen, von uns Steuerzahlern finanziert, das jetzt aber unter Verschluss gehalten wird? Was sagen Sie dazu?

Drexel: Das Gutachten muss auf jeden Fall der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Alles andere ist unakzeptabel.


Setzt sich die ÖVP-Kulturpolitik damit nicht sehr dem Verdacht aus, den heutigen Vermittlern dieser Musik, CD-Produzenten und Veranstaltern von Konzerten der braunen Komponisten, die Mauer zu machen, sie vor berechtigter Kritik zu schützen?

Drexel: Wohl wahr!


Wie sollte das Land Tirol mit dem bis heute geheimen Gutachten über die geförderten Nazikomponisten umgehen?

Drexel: Es via Internet der Öffentlichkeit zugänglich machen!


Noch so eine Nazi-Schweinerei von der ÖVP-Landesregierung: Im Jahre 2008 (!) hat sie die Landesmusikschule in Kramsach nach dem seinerzeitigen Gaumusikleiter Sepp Tanzer in „Landesmusikschule Sepp Tanzer“ unbenannt. Was sagt man dazu?

Drexel: Ich würde es nicht als „Nazi-Schweinerei“, aber als Skandal und als schwer schädigend für das Ansehen Tirols im In- und Ausland ansehen.





Sepp Tanzer dirigiert die Wiltener hier als „SA-Musikzug“ 1938 auf dem Kaiserschützenplatz in Innsbruck-Wilten (Originalfoto: Archiv M. Wilhelm)



Interview mit Johannes Maria Staud

Johannes Maria Staud, geb. 1974 in Innsbruck, Komponist; mehrere Stipendien, Preise und Kompositionsaufträge; Aufführungen durch Wiener Philharmoniker, Berliner Philharmoniker, BBC Symphony Orchestra, Cleveland Orchestra usw.


Wie beurteilen Sie diese Nazikomponisten, deren Werkpflege von der
ÖVP-Landesregierung so massiv gefördert wird?

Staud: Werkpflege von heute vergessenen Tiroler Komponisten ist ja an sich keine schlechte Sache. Nur wenn deren Rolle in der NS-Zeit - oder sogar noch danach! - mehr als zweifelhaft, aus tiefstem Herzen verurteilungswürdig ist, muss dies auch klar in allen Publikationen und CD-Booklets kenntlich gemacht werden und darf keinesfalls verschwiegen werden. Dass die Qualität der Musik eines Joseph Eduard Ploner etwa, die aus einer dummen, gehässigen und antisemitischen Geisteshaltung heraus entstanden ist, mehr als dürftig und heute nicht mehr relevant ist, steht auf einem anderen Blatt.


Auf öffentlichen Druck hin hat die ÖVP-Landesregierung ein Amtsgutachten zur Musik in der NS-Zeit in Auftrag geben müssen, von uns Steuerzahlern finanziert, das jetzt aber unter Verschluss gehalten wird? Was sagen Sie dazu?

Staud: Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen, da es doch auch im Interesse der ÖVP Tirol sein müsste, dieses unrühmliche Kapitel in der Geschichte transparent zu machen und ein für alle Mal aufzuarbeiten. Damit könnte die ÖVP auch unmissverständlich klarmachen, dass sie sich bedingungslos von der Nazizeit abgrenzt und alle Täter wie Mitläufer, die Nazigräuel begünstigt haben, verurteilt.


Setzt sich die ÖVP-Kulturpolitik damit nicht sehr dem Verdacht aus, den heutigen Vermittlern dieser Musik, CD-Produzenten und Veranstaltern von Konzerten der braunen Komponisten, die Mauer zu machen, sie vor berechtigter Kritik zu schützen?

Staud: Ja, dieser Verdacht liegt nahe.


Wie sollte das Land Tirol mit dem bis heute geheimen Gutachten über die geförderten Nazikomponisten umgehen?

Staud: Das Land Tirol sollte dieses Gutachten umgehend veröffentlichen und der interessierten Bevölkerung zum Studium zur Verfügung stellen. Diese Geheimhalterei verstehe ich absolut nicht.


Noch so eine Nazi-Schweinerei von der ÖVP-Landesregierung: Im Jahre 2008 (!) hat sie die Landesmusikschule in Kramsach nach dem seinerzeitigen Gaumusikleiter Sepp Tanzer in „Landesmusikschule Sepp Tanzer“ umbenannt. Was sagt man dazu?

Staud: Gerade heute, wo Straßen und Plätze, die nach Nazis benannt waren, in Österreich umbenannt werden - siehe Wien oder Wels - ist das natürlich ein Schlag ins Gesicht. Ein eingefleischter Nazi wie Sepp Tanzer kann, darf und wird nie das Vorbild für unsere musizierende Jugend sein. Es ist wirklich abscheulich und zeigt von einer grossen Unsensibilität, eine Landesmusikschule nach so jemandem zu benennen.





19.8.2013


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Reaktionen:




Standard online, 26.8.2013

Südtiroler Tageszeitung, 28.8.2013

Österreich, 22.8.2013

Kronenzeitung, 21.8.2013

u.v.a.m.


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