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Re-sti-tu-ie-ren!
Warum das Land Tirol in Sachen Haiminger Nazi-Gründe jetzt handeln muss
Das Land ist Eigentümer der TIWAG.
Ein Eigentümer hat sich um sein Eigentum zu kümmern.
Die TIWAG verkauft freihändig 10 ha Baugrund in Bestlage, den sie an die Vorbesitzer zurückzustellen hätte. Nein, hat!
Die Beweislage.
Dass und wie die Nazis den Haiminger Bauern Gründe für das geplante größte Wasserkraftwerksprojekt des Deutschen Reiches abgepresst haben, ist hier bereits ausgiebig beschrieben und belegt worden. Die Wiesen und Felder für die eigens gegründete Westtiroler Kraftwerke AG (WTK) zusammengeraubert hat, wie wir wissen, die von der SS geführte Deutsche Ansiedlungsgesellschaft. Wenn dann, nur als Beispiel, sogar eine kleine Bäuerin mit nur einer Kuh dieser unter der Befehlsgewalt Heinrich Himmlers stehenden „Vertragspartnerin“ gegenüber offen von „Zwangsverkauf“ ihrer Parzelle spricht, dann wird es auch einer gewesen sein:
Maria Stigger schreibt am 2. März 1942: „Zum Kaufpreis selbst einschließlich der Wirtschaftserschwernis habe ich für die Grundparzelle 4108, EZ 420 II der K.G. Haiming habe ich in Anbetracht des Zwangsverkaufes den Sie auf mich ausübten nichts hinzuzufügen.“
Abgepresst wurden die Wiesen einerseits mit der Drohung von Enteignung oder auch – wie hier - der Verbringung nach Dachau, andererseits mit dem Versprechen, die letztlich nicht benötigten oder nach Fertigstellung des Baus nicht mehr benötigten Grundstücke wieder an die Besitzer zurückzugeben. Diese Versprechen wurden mehrfach gegeben, immer wieder, und sind auch schriftlich fixiert.
So etwa in der Antwort der „Deutschen Ansiedlungsgesellschaft“ an die Briefschreiberin Maria Stigger:
Die hier genannte „rechtsverbindliche Erklärung“ ist bei der Gemeinde bisher nicht auffindbar. Wer versteckt sie? Wer hat sie verschwinden lassen? Was ist mit der Zweitausfertigung bei der TIWAG? Wann wird sie damit herausrücken (müssen)?
Vordem schon hatte Ernst Allrecht, der Landrat von Imst (= Bezirkshauptmann), eine Besprechung zwischen Gemeindevertretern und der Ansiedlungsgesellschaft einberufen, in welcher letztere sich im Namen der Westtiroler Kraftwerke (WTK), amtlich festgehalten, zur Rückgabe nichtbenötigter Grundstücke verpflichtet haben.
Es ist auch nicht so, wie verbreitet wird, dass in den „Kaufverträgen“ vom Rückkaufsrecht nie die Rede wäre:
Verbücherter Kaufvertrag, „abgeschlossen zwischen Johann Josef Habicher, Besitzer in Haiming Nr. 28“ und der „Westtiroler Kraftwerke AG, vertreten durch die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft in Berlin“
Toxisches Gelände
Es waren die Nazis, die hier mehr als zwanzig Hektar requiriert haben. Die gesamte Liegenschaft ist historisch vergiftet, bis tief in den Boden hinein. Das ist nicht wegzubaggern.
Die von den Nazis schwer verwüsteten landwirtschaftlichen Gründe in einer Luftaufnahme der US-Army vom 20.4.1945. Rechts im Bild: die Baracken der Zwangsarbeiter, mittig der Bauhof auf dem Gelände für das Kraftwerksprojekt, links die Forschungsanlage für den von Hitler forcierten „Blitzbomber“ Messerschmitt Me 262
1942 im Frühjahr wird auf den Wiesen der Bauern mit dem Bau des Arbeiterlagers begonnen, ein halbes Jahr vor den sogenannten Kaufverträgen. Schon 1943 kommt es zur Einstellung der Bauarbeiten am Kraftwerk, das Strom für die deutsche Rüstungsindustrie liefern sollte, weil – mitten im Vernichtungskrieg – die Entwicklung von Wunderwaffen noch wichtiger wird. Auf dem Gelände der Westtiroler Kraftwerke AG entsteht nun eine Versuchsanstalt für die Kriegsluftwaffe. Unter der Befehlsgewalt des Luftgaukommandos. Auch dieses verspricht die Rückgabe nichtbenötigter Grundstücke:
Niederschrift einer Verhandlung am 9. und 10. Juli 1943, an der Vertreter der Gemeinde Haiming, des Kreises Imst, der Luftforschungsanstalt München und des Luftgaukommandos teilgenommen haben.
Erbe der Nazizeit
Das Land Tirol ist in der Pflicht. Es ist als Rechtsnachfolger der seinerzeitigen Gauleitung so lange in der Unrechtsnachfolge, bis es dieses begangene Unrecht beseitigt.
Politisch bestimmend bei der TIWAG (Aufsichtsratschef) und bei der Westtiroler Kraftwerke AG (Aufsichtsratschef), die später in der TIWAG aufgegangen ist, war Gauleiter Landeshauptmann Franz Hofer. Eine Zuständigkeit, die heute bei der TIWAG dem Landeshauptmann Günther Platter als Eigentümervertreter zukommt. An der rechtlichen und moralischen Verantwortung für die Wiedergutmachung ist nicht zu rütteln.
Brauchts noch mehr Beweise für die Rückgabeverpflichtung?
Worauf wartet die Landesregierung noch? Darauf dass die Haiminger Bauern aus ihren Gräbern aufstehen und zu erzählen beginnen und zu bezeugen, was ihnen angetan worden ist und was ihnen zugesichert wurde?
Reichen die Dokumente? Nein? Gut, es gibt noch mehr davon, auch aus der Zeit nach dem Krieg. 1948 wurde ein mehr als halbherziger Versuch, die von den Nazis abgepressten Grundstücke wieder zu bekommen, von der Rückstellungskommission beim Landesgericht Innsbruck – ohne Einvernahme eines einzigen Haiminger Zeugen – wie damals üblich zwar abgeschmettert, aber …
… nein, lassen wir uns vordem die gar abenteuerliche, besser: opferverhöhnende Begründung, dass der Vermögensentzug durch die Nazis nichts mit den Nazis zu tun gehabt habe, weil es ja schon lange vor denen einmal ein Projekt zur Nutzung der Ötztaler Wasserkräfte gegeben habe, auf der Zunge zergehen:
„Im Hinblick auf die Geburtsstunde des Projektes im Jahre 1930, als die NSDAP in Österreich noch keine Machtposition hatte, muß als erwiesen angenommen werden, daß der Ausbau der Westtiroler-E-Kraftwerke in keinem Zusammenhange mit der ns. Machtübernahme stand und daß alle Maßnahmen, die zur Durchführung der Projekte getroffen wurden, ebenfalls nicht im Zusammenhange mit der ns. Machtübernahme standen und daher … auch nicht gemäß dem Dritten Rückstellungsgesetz nichtig sein können."
… aber, um auf die Rückgabeversprechen zurückzukommen, selbst dieses abweisende Erkenntnis des Gerichts hält fest:
Rückstellungskommission beim Landesgericht Innsbruck, 30. Juli 1949
Nun, die Westtiroler Kraftwerke AG werden in die Studiengesellschaft Westtirol übergeführt und auch diese hat Interesse, das Wasser aus dem Ötztal zu nutzen. Sie erwirkt 1950 sogar die wasserrechtliche Bewilligung durch das Landwirtschaftsministerium für ein abgeändertes Projekt. Dort heißt es:
Dieser Bescheid stammt vom 6. April 1950. Ein Bescheid hat die Eigenschaft, nicht zu verjähren.
Vielleicht noch ein letztes Dokument in der lückenlosen Beweiskette. Auch ein Aktenvermerk des Landes Tirol vom 15. Februar 1951 (Zl. IIIa 33/11-1951), „Betreff: WTK – Ablösung von Liegenschaften und Rechten in der Gemeinde Haiming“, lässt keinen Zweifel offen:
Dass die von den Westtiroler Kraftwerken an die Studiengesellschaft Westtirol und schließlich an die TIWAG übergegangenen Grundstücke für einen Kraftwerksbau „nicht mehr benötigt“ werden, nie mehr benötigt werden, nie mehr benötigt werden können, ist allerspätestens seit deren Verkauf an den Speckkonzern Handl Tyrol (seit zehn Tagen im Grundbuch) unbestreitbar.
Zeit zu handeln
Die Tiroler Landesverfassung sieht keinen Schönwetterlandeshauptmann vor, sondern einen, der handelt (TLO § 44, 58). Keinen, der bloß von Event zu Event zieht, von Promiauftrieb zu Promiauftrieb, von Volksbelustigung zu Volksbelustigung, von Fototermin zu Fototermin, sondern einen, der seine Verantwortung wahr nimmt, auch in unangenehmen Zusammenhängen.
Der Sachverhalt ist klar. Um diese Dokumente kommt keiner herum.
Das Land Tirol kann sich nicht darauf hinausreden, dass man sich in das Geschäft der TIWAG nicht einmische. Hier geht es um deren Eigentum und damit des Landes. Unrechtmäßiges Eigentum. Braunes Erbe.
Die TIWAG muss die noch nicht verkauften Nazi-Grundstücke (ca. 11 ha) den Vorbesitzern zum Rückkauf anbieten, subito, und den Nettoerlös aus dem schmutzigen Handl-Deal an die Rechtsnachfolger der seinerzeitigen Eigentümer abtreten.
Es geht nur noch darum, dass die Landesregierung die TIWAG dazu anweist.
Bevor es das Gericht tut.
13.2.2017
Hier wird über den illegalen Verkauf der Haiminger Liegenschaften an Speck-Handl
im Forum diskutiert.
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