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Bilder einer Ausstellung


Buchwoche hier, Buchwoche dort. Buchwoche heute, Buchwoche damals.
Bei der Durchforstung des Nachlasses des Innsbrucker Fotografen Richard Müller (1884–1957) bin ich auch auf eine Bilderserie zur „Ersten Großdeutschen Buchwoche“ in Innsbruck gestoßen. Eine schauerliche Inszenierung von zum allergrößten Teil schauerlicher „Literatur“ in den Räumlichkeiten der damaligen Tiroler Wirtschaftskammer.
Es ist die erste Veröffentlichung dieser Fotostrecke.

Mehr oder weniger der Ausstattung eines kirchlichen Innenraumes folgend, der Altar mit dem Allerhöchsten an der Stirnseite, die Bibel der Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wie andernorts das Allerheiligste, wird hier ein Hochamt der neuen Religion zelebriert. Und es trifft auf eine zutiefst katholisch vorgeprägte und von sehr ähnlichen Installationen des Austrofaschismus bereits geplättete, wenig wehrhafte Gesellschaft. Ein ideologischer Overkill.




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Dass die Ausstellung „Erste Großdeutsche Buchwoche“, die, mit Weimar im Zentrum, vom 30. Oktober bis 6. November 1938 im gesamten Reich durchgeführt worden ist, in Innsbruck in der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in der Meinhardstraße stattgefunden hat, ergibt Sinn, weil es ja vor allem Unternehmer waren, die den Nationalsozialismus bereits in der illegalen Zeit massiv gefördert hatten. Die noblen Räumlichkeiten, in denen diese für uns heute gespenstische Bücherschau präsentiert wurde, sind 1945 im Kampf der Befreier gegen die Nazis durch einen Bombentreffer zerstört worden.




Zur Ausstellungseröffnung wurde im Beisein der Nazigrößen ein, nun ja, „Gedicht“ von Ingeborg Teuffenbach (gestorben 1992 in Innsbruck) aus dem in der Bücherschau gleich mehrfach ausgelegten Lyrikband „Lied der Getreuen“ vorgetragen.



Aus der Rede des Gauleiters Franz Hofer zur Eröffnung der Buchausstellung

An Stelle des edlen deutschen Gedankengutes, an Stelle des guten deutschen Buches, das dem Menschen Förderer und Freund ist, wurden uns [vor 1938] mit marktschreierischer Geschäftigkeit tausendfältig die Machwerke jener elenden Literaten geradezu aufgedrängt, die nichts anderes konnten, als alles Hohe und Edle zu verunglimpfen, alles materiell und geistig Verbastardisierte aber als Vorbild hinzustellen.

Auch auf diesem Lebensgebiete hat der Führer in letzter Stunde reinen Tisch gemacht. Unsere Bibliotheken sind nun endlich von den Werken jüdischer Autoren und ihrer Nachbeter gesäubert und es ist nun nicht mehr möglich, das Volk auf dem Wege über das Buch zu vergiften. Dafür sind heute wieder die Werke unserer großen Dichter Gemeingut des Volkes geworden. Dafür vermitteln insbesondere die Werke der Vorkämpfer der nationalsozialistischen Weltanschauung wahrhaft deutschen Geist.

Auch hier steht das Werk des Führers in vorderster Linie und es wird wohl in absehbarer Zeit keinen Deutschen mehr geben, der nicht mit des Führers Buch „Mein Kampf“ vertraut wäre und mit den hohen Gedanken und Erkenntnissen, die dieses Werk vermittelt, auf Du und Du stünde. „Mein Kampf“ ist gleichsam die ragende Säule geworden, auf der unser neues deutsches Literaturschaffen ruht.

Die Buchausstellung, die wir heute hier in der Gauhauptstadt Innsbruck im Rahmen der ersten Deutschen Buchwoche eröffnen, gibt Ihnen für das Gesagte den Beweis.

Innsbrucker Nachrichten, 31.10.1938



Das gruselige Spektakel wird dokumentiert durch die Aufnahmen auf dreizehn gut erhaltenen Glasplatten (Format: 16,5 x 12) des bekannten Innsbrucker Fotografen Richard Müller, der oft auch exklusiv Zutritt zu Veranstaltungen der lokalen NS-Machthaber erhalten hat. Sein gesamter Nachlass befindet sich seit Kurzem im Innsbrucker Stadtarchiv und wartet dort auf seine Aufarbeitung.




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Neben reiner Propagandaliteratur finden sich in der Ausstellung auch Bücher von Tiroler Verlagen und Tiroler Autoren, die vor dem Einmarsch publiziert wurden, aber genau ins neue Weltbild passen, darunter auch Werke, die heute noch in manchen Tiroler Dorfbibliotheken stehen, von Heldensagen bis zu Andreas-Hofer-Biografien, von einschlägigen Fotobüchern über das Volkstum bis zu zweifelhaften Romanen sogenannter vaterländischer Autoren.




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Man sollte bei aller Verschiedenheit der Zeit und des Zeitgeistes daran denken, wie viel Ideologie über die jeweils aktuelle, jeweils gerade modernste Bücherproduktion transportiert wird.
Natürlich auch heute.


10.10.2019


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