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Die Medalp verkauft schadhafte und nicht geprüfte Schutzmasken und verwendet diese selbst an ihrer Covid-19-Station
Mitte März 2020. Zunehmende Panik. Überall fehlen medizinische Atemschutzmasken, aber Alois Schranz, der Unfallchirurg, unter Günther Platter zu so etwas wie zum Chefepidemiologen des Landes aufgestiegen, könne, was sonst kaum einer könne, uns aufgrund seiner guten Verbindungen zu China ganz schnell welche vermitteln.
Die Politik bestellt. Die Politik jubelt.
Kürzen wir die Vorgeschichte ab: Ab dem 21. März treffen immer wieder Frachtmaschinen mit Millionen von Schutzmasken in Wien ein. Erste Lieferungen davon gehen an Tirol und an Südtirol. Recherchen des Südtiroler Internetmediums salto.bz ergeben, dass die Ware weder den vom Hersteller angegebenen, noch den im medizinischen Einsatz erforderlichen Qualitätskriterien entspricht.
Ich frage Alois Schranz am 6. April, ob es sich bei den schadhaften Produkten „um die Schutzmasken handelt, die du aufgrund deiner Beziehungen zu China ins Land holen konntest?“
Schranz antwortet:
„Das sind Südtiroler Schutzmasken.
Wir haben andere bestellt.“
Ich hake nach:
„Aha. Und deine sind besser? Wurden sie in Europa geprüft?“
Schranz:
„Die Nordtiroler Schutzmasken sind in Europa geprüft worden.“
Sind sie nicht.
Schranz lässt die aus genau dieser Tranche stammenden und von der Medalp auch zum Weiterverkauf einbehaltenen Schutzmasken über verschiedene Kanäle Ärzten, Physiotherapeuten usw. anbieten:
Eine Praxis in Innsbruck, die daraufhin direkt bei der Medalp bestellt, bekommt die Masken - umgepackt und zu jeweils 50 Stück in Nylonbeutel gestopft - zugestellt. Ohne jede Beschriftung, ohne Beipacktext, ohne Verwendungshinweis. Null. Zudem müsste die jeweils kleinste Verpackungseinheit von Gesetz wegen Name, Warenzeichen oder andere Angaben zur Identifikation des Herstellers aufweisen.
Die Medalp-Masken sind offenbar aus einer Großlieferung in Plastiksäcke umgefüllt und ohne alles verkauft und verschickt worden.
Der besagte Medalp-Kunde, übrigens nicht der einzige, der sich von Schranz betrogen fühlt, versucht, bei der Medalp die fehlenden Produktinformationen einzuholen. Er protokolliert mehrere Anläufe, darunter zwei Telefonate mit der Vorstandsassistentin Theresa Wachter.
27.4. Telefonat Fr. Wachter (Medalp)
Die Medalp hätte die Masken zusammen mit dem Land Tirol bezogen – oder umgekehrt. Die Masken seien in Deutschland getestet worden. Dazu gäbe es ein Zertifikat. Ansonsten Beschwichtigungen, es habe alles seine Ordnung, da das Land Tirol ja dieselben Masken bezogen hätte. Versprach mir die gewünschten Informationen (Zertifikat, ansonsten Hersteller, Einführer und Maskentyp) per Email zu senden. Das ist bis heute nicht geschehen.
13.5. Anruf von Fr. Wachter
Fr. Wachter entschuldigt sich dafür, nicht geantwortet zu haben. Auf Nachfragen gibt sie zu, dass es kein Bewertungsschreiben geben würde, nur ein chinesisches in chinesischen Schriftzeichen, das sie „nicht hergeben würden“. Trotzdem hätte alles seine Ordnung, weil ja das Land Tirol in die Beschaffung involviert gewesen wäre. Auf die Bitte, mir das schriftlich per Email zu senden, macht Fr. Wachter einen Rückzieher und meint, das könne nur der Geschäftsführer machen. Ich bitte daher, dass dieser das tun möge.
Die drei Helden des Tiroler Corona-Krisenmanagements
Nichts geschieht.
Es wächst der Verdacht, dass es keine Prüfung der Masken gegeben hat und kein Zertifikat existiert. Ich schalte mich ein. Schieße Alois Schranz frontal an:
„Ich höre jetzt schon wieder, dass du - entgegen deiner Auskunft - über die Medalp nicht zertifizierte Schutzmasken aus Fernost in Umlauf gebracht hast.
Oder bist du zwischenzeitlich in der Lage, endlich ein hier geltendes Zertifikat vorzuweisen? Ich warte auf ein entsprechendes Dokument. Bitte rasch.“
Schranz antwortet:
„Ich habe deine E-Mail an den GF der Medalp Dr. Georg Hoblik weitergeleitet.
Er wird sich sobald als möglich bei dir melden.“
Sobald als möglich, das sind bei Georg Hoblik vier Tage. Ob er so lange nach einem Testergebnis oder einem gültigen Zertifikat gesucht hat? Nein, natürlich nicht, er hat ja gewusst, dass er keines hat, das er vorlegen könnte. Er hat nicht nach einem Dokument gesucht, sondern nach einer Ausrede. Er teilt mir mit, „dass die von uns angekauften Masken in Europa zertifiziert sind und der völlig identen Testroutine unterzogen wurden, wie alle anderen in Tirol verwendeten Produkte.“
Ich bitte die Medalp um Vorlage eines Zertifikats.
Schranz selbst versucht inzwischen, seinen Kunden in Innsbruck zu beruhigen:
Es ist, wie man unten sieht, alles andere als beruhigend zu wissen, dass die höchst mangelhaften, nicht geprüften und nicht zertifizierten Masken aus China auf der vom Land Tirol eingerichteten Corona-Station in der Medalp in Gebrauch sind.
Schon auf den ersten Blick sind schwere Mängel erkennbar wie doppelt gestanzte Löcher für die Haltebänder, Löcher in der Maske und unvollständige Einfassungen der Nasenbügel (zwei harte Drähte in Plastik verschweißt - ähnlich wie bei den Recheis-Nudelpackungen), die deshalb zu viel Spiel haben (linkes Bild). Beim Aufsetzen der Maske können die Gummibänder mitunter auch aus der heißgepressten Verankerung ausreißen (rechts). Die Medalp-Masken sind, wie ein einfacher Praxistest zeigt, auch für durchschnittliche Europäer zu klein, sie rutschen, wenn man den Mund weit aufmacht, entweder über die Nase herunter oder das Kinn hinauf.
Es handelt sich bei den von der Medalp hier (weiter)verkauften Masken um billige Massenware aus China. Allem äußeren Anschein nach ist es die Maske, die laut Internetangebot inzwischen um 0,30 US-Dollar (= € 0,28) zu haben ist. Die Medalp stellt im Mai 2020 für ihre Maske noch 3,80 Euro in Rechnung.
Sieht nach Chinesischem Roulette aus
Nachdem ich dem Geschäftsführer klar gemacht habe, dass dieser Artikel auf jeden Fall erscheinen wird, auch ohne die Beantwortung meiner konkreten Fragen, behauptet er, die Medalp habe „im März die Masken von der Firma Arcnode in China gekauft“ und es habe eine „Prüfung der Masken in Österreich“ gegeben (Mail vom 20.5.2020).
Beides erscheint höchst unglaubwürdig. Das Produkt, das seinerzeit in Wien und in Essen geprüft wurde, ist ein anderes, ein ganz offenbar höherwertiges. Und selbst dieses ist bei beiden Qualitätstests hochkantig durchgefallen, sowohl hinsichtlich des eingesetzten Materials, als auch was die Anwendung betrifft. So stellte sich heraus, dass bei 78 Prozent der vorgelegten Masken „ein Dichtsitz im Bereich des Kinns und der Wangen nicht möglich“ ist. Sie erfüllen damit nicht einmal den niedrigsten Status (FFP1) von partikelfiltrierenden Halbmasken. Es wird daher „nicht empfohlen, sie als Atemschutzmasken in Verkehr zu bringen oder zu verwenden“ (Gutachten des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik ARW, Wien).
ARW-Gutachten
Diese anderen Masken wurden trotzdem, vor allem in Südtirol, in Verkehr gebracht. Man hatte versucht, die vernichtenden Gutachten geheim zu halten. Was von salto.bz aufgedeckt wurde. Vorgelegt wurde dort ein Zertifikat, das keines ist.
Die Ente Certificazione Macchine (ECM) hat keine Zulassung zur Prüfung von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA), zu denen auch Atemschutzmasken gehören. Das Zertifikat täuscht vor, dass die Produkte der europäischen Norm und der PSA-Verordnung entsprechen würden. Das ist nicht der Fall. Es ist schlicht ungültig und wertlos. Chinesische Hersteller solcher Masken legen laut Wirtschaftskammer ihren Lieferungen „häufig“ genau dieses ECM-„Zertifikat“ bei. Es ist höchst fraglich, ob diese italienische Hinterhoffirma alle Produkte überhaupt in Augenschein genommen hat, für die sie ihr „Certificate of Compliance“ in fehlerhaftem Englisch verkaufen.
Falsifikate statt Zertifikate
Im Internet wird eindringlich davor gewarnt, filtrierende Halbmasken ausschließlich mit dieser Zertifizierung an Kunden im Gesundheitsbereich zu verkaufen. Wer das tue, mache sich „zum einen strafbar und zum anderen auch schadenersatzpflichtig“.
Auch Medalp-Geschäftsführer Georg Hoblik argumentiert mir gegenüber mit dem Zertifikate-Schmäh: „Die Masken sind von einem italienischen Institut als KN–95 Masken mit dem CE certifiziert, das Zertifikat liegt bei.“
Ein CE ohne registrierte vierstellige CE-Kennziffer ist erstens keines, und zweitens ist „sein“ Zertifikat auf Punkt und Beistrich dasselbe, das den in Wien und Essen geprüften, mit den Medalp-Masken nicht identischen beigelegt war. Dieses „Dokument“ lässt sich auch problemlos aus dem Netz herunterladen.
Zur Weiterverbreitung der nicht zugelassenen Schutzmasken, die für das medizinische Personal ein ständiges erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen, teilt mir die Medalp mit: „Wir haben mit der Lieferung unseren Eigenbedarf gedeckt und haben weitere 10.000 Masken an Ärzte, Physiotherapeuten und an Mitarbeiter von ähnlichen Betrieben unentgeltlich verteilt, als unseren Beitrag für eine schnelle Hilfe. Auf Nachfrage einiger Ärzte und Physiotherapeuten, dass sie noch mehr Masken benötigen und diese über uns beziehen wollen, haben wir die gewünschte Maskenanzahl weitergegeben.“
Zu „unentgeltlich“ und „weitergegeben“ siehe die Medalp-Rechnung oben.
Schranz lässt gern den Wohltäter und das Kreuzl heraushängen.
Wo ein Geschäft zu machen ist, nein, wo es auch nur danach riecht, dass eines zu machen ist, ist der Schranz da. Dafür ist er – zumal im Oberland – bekannt, will sagen: berüchtigt. Da wäre dann irgendwann vielleicht auch noch einmal der Geschichte nachzugehen, die ein ausländischer Saisonarbeiter aus dem Paznaun erzählt, der zwar positiv getestet Anfang April auf die Covid-19-Station der Medalp kommt, dort jedoch von Anfang an beschwerdefrei und trotz zweimaligem negativen Coronatest, wie er sagt, „mehr wie vierzehn Tage schon gesund auf Station“ festgehalten wird. Offenbar von Alois Schranz selbst immer wieder visitiert. (Der Bund zahlt’s ja. All inclusive.)
Auf keinen Fall soll hier aber der Staatsanwaltschaft vorgegriffen werden.
Es gilt in allen Punkten die Unschuldsvermutung.
27.5.2020
Reaktionen:
Tirol heute am 4.6.2020 – Siehe auch: tirol.orf.at
Kronenzeitung, 5.6.2020
dossier.at, 5.6.2020 (hier)
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt.
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