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Der Qualitätsjournalismus, den sie bei der Tiroler Tageszeitung meinen

Anlässlich des gerade abgefeierten 75-jährigen Bestehens der Tiroler Tageszeitung ist nicht nur die Redaktion in eine ziemlich unnötige kollektive Selbstbejubelung verfallen, sondern konnten sich viel mehr noch die zwei Chefredakteure vor Selbstbelobigung gar nicht mehr einkriegen. Da ist viel von Qualität und Recherche die Rede und von angeblichen Faktenchecks.
Einem solchen wollen wir hier ein kleines, aber bezeichnendes Detail unterziehen.






Tiroler Tageszeitung, 20.6.2020 Beilage „Jubiläumsausgabe zum 75. Geburtstag“ (80 Seiten)


Zu diesem Jubiläum hat die TT-Redaktion wieder einmal ihrem „Gründungsherausgeber“, der er nicht war, entsprechend gehuldigt.
Wem entsprechend? Der Fama.





Richtig ist einzig und allein, dass er am 1. April 1918 in St. Gallen geboren wurde.
Wer? Ein Joseph Stephan Moser auf jeden Fall nicht. Jemand, der aus einer Familie aus Alpbach stammt, auch nicht.
Eine Legende bleibt eine Legende, auch wenn sie ohne Ende wiederholt wird.




Tiroler Tageszeitung, 9. April 1993




Tiroler Tageszeitung, 21. Juni 1995




Tiroler Tageszeitung, 18. Juni 2005




Tiroler Tageszeitung, 10. November 2010




Tiroler Tageszeitung, 20. Juni 2015




Tiroler Tageszeitung, 1. April 2018




Tiroler Tageszeitung, 20. Juni 2020



Faktencheck

„Joseph Stephan Moser“ wurde schlicht als Josef geboren. Und auch ohne zweiten Vornamen getauft und ins Geburtenregister eingetragen. Und schon gar nicht mit dem Familiennamen Moser. Er kam als lediges Kind des aus Mattighofen in Oberösterreich stammenden Dienstmädchens Christina Holbe in St. Gallen auf die Welt und verbrachte seine ersten zweieinhalb Lebensjahre im Waisenhaus. Er kam dann zu den kinderlosen Eheleuten Ida und Stephan Moser in Arbon (Thurgau) "in Obhut". Im Jänner 1924, also im Alter von knapp sechs Jahren, wurde er von diesen „an Kindes Statt angenommen“ und auf den Familiennamen Moser umgeschrieben.
Die Familie des Adoptivvaters ist in Untereggen/Arbon seit mindestens zehn Generationen nachgewiesen und hat mit Alpbach rein gar nichts zu tun. Moser ist in der Ostschweiz ein mindestens so häufiger Familienname wie in Süddeutschland und Westösterreich. Die Herkunft aus Alpbach ist gar zu banal und platt konstruiert. „Moser“ wollte sich mit diesem Schwindel als Ur- und Erztiroler inszenieren.




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Den späteren zweiten Vornamen Stephan hat sich der Säulenheilige der Tiroler Tageszeitung in Anlehnung an jenen seines Adoptivvaters erst in Innsbruck angeeignet, gleichzeitig wohl auch den Josef zum Joseph aufgehübscht.

Bleibt noch das Märchen von seinem „Vater“ als Mitbegründer der Regionalzeitung „Der Oberthurgauer“. Sebastian Stephan Moser war Molkereibesitzer und Käsegroßhändler. 1936, als sein Adoptivsohn Josef bereits die Schweiz verließ, beteiligte er sich als einer von vielen Genossenschaftern an einer Umgründung jenes Vereins, der seit 1845 die „Thurgauer Volkszeitung“ (und nicht den „Oberthurgauer“) herausgegeben hatte.


„Qualitätsjournalismus“ … „gut recherchierte Geschichten“ … „kuratierte und überprüfte Meldungen“ … „und nicht irgendeine unüberprüfte Behauptung“

„Joseph“ „Stephan“ „Moser“ hat sich diese Biografie ausgedacht, und die ganze Latte von Chefredakteuren hat sie seit Jahrzehnten ohne jede Eigenrecherche nachgeplappert.
Manche Lügen haben lange Beine.

Was ist von einer Zeitung zu halten, die nicht einmal in eigener Sache Fakten zu checken und im eigenen Haus Nachschau zu halten weiß? Die uns über ihren „Gründervater“, der er halt auch nicht war, nicht einmal oder zweimal, sondern x-mal, ständig, ohne Unterlass, Fake News auftischt, die mit den hier aufgedeckten kein Ende nehmen, sondern sich in der weiteren Biografie „Mosers“, wie sie in der TT noch immer kolportiert wird, fortsetzen, dies vor allem was Schule, Laufbahn in der Deutschen Wehrmacht sowie seinen angeblichen Anteil am Widerstand betrifft. (Warum hat er sich als Bürger der Schweiz zur Wehrmacht gemeldet? Wie konnte er ohne Matura Offizier werden? Bei den Kapuzinern in Appenzell wurde er mit 16 Jahren ausgeschult. Warum hat er es in fünf Kriegsjahren nur zum Oberleutnant gebracht? Fragen über Fragen.)

Um nach dem Kriege in Tirol Fuß fassen zu können, hat es „Moser“ für notwendig erachtet, alle diese Fälschungen vorzunehmen und sein Vorleben völlig anders darzustellen, als es stattgefunden hat. Diese Lebenslüge, von der TT zur Wahrheit erhoben, hat lange gehalten. Exakt bis heute, dem 6. Juli 2020.
Vielleicht finden es die Verantwortlichen der Tiroler Tageszeitung jetzt oder zum bald dreißigsten Todestag „Mosers“ der Mühe wert, ihre Geschichte, und das heißt vor allem die ihres Übervaters, aufarbeiten zu lassen.

Fürs erste sollten sich Chefredaktion und Vorstand der Moser-Holding für die wiederholten Falschinformationen bei ihren Leserinnen und Lesern in aller Form entschuldigen.






Quelle: Staatsarchiv des Kantons Zürich


6.7.2020

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