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Die politische Verantwortung II

2. Tathergang

Frühjahr / Sommer 2001, das war die Zeit des wilden Tanzes der Tiroler Volkspartei um die Hypo, und zwar ein Tanz zweier feindlicher Gruppierungen in zwei verschiedene Richtungen.
Nachdem am 23. April 2001 Ferdinand Eberle voller Trotz vom Parteivorstand einstimmig zum nächsten Landeshauptmann bestimmt wurde, haben die selben Leute am 30. Mai wiederum einstimmig seine Position als Parteichef „als unbestritten“ erklärt. Was natürlich nur heißen konnte, daß sie unhaltbar geworden war. Damit seien, versuchte man die Öffentlichkeit aber noch einmal zu täuschen, „alle Spekulationen über Personalfragen in den letzten Tagen ausgeräumt“. In Wirklichkeit war bereits Mitte August 2001 ein Sonderparteitag für die Wahl eines neuen Parteiobmanns nicht mehr zu verhindern. Er wird auf den 27. Oktober festgesetzt, nach van Staa kündigt (weil eine Katastrophe ja selten allein kommt, ausgerechnet am 11.9.2001) auch der Landecker Gendarm Günther Platter sein Antreten an. Eberle gibt eine klare Wahlempfehlung, „die keine Wahlempfehlung sein soll“, für van Staa ab, der dann auch mit 53,1 Prozent zum Parteiobmann der ÖVP Tirol gewählt wird.
Die „Hypo Causa“, man erinnert sich an den Vorwurf „mafioser Machenschaften“, ist der Sumpf, in den also auch die feinsten Wurzeln der Cross-Border-Machenschaften hineinreichen.

Tatablauf
Im August 2001 geht der TIWAG von Seiten des US-amerikanischen Maklers das Konzept eines Rahmenvertrages zur Abtretung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz zu. Der TIWAG-Vorstand kopiert den Entwurf und legt dieses „Term Sheet“ dem - ungewöhnlicherweise mitten im Sommer - eiligst einberufenen Aufsichtsrat vor. Dieser beschließt allein auf Grundlage dieser zwanzigseitigen Punktation, in der viele wichtige Dinge nicht einmal erwähnt sind, die Genehmigung des Deals. Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Eberle geht im Anschluß daran an die Öffentlichkeit und verkündet das gute Geschäft: „Wir haben das gründlich überlegt.“ (Tirol heute, 23.8.2001) Eine Woche später findet bereits die sogenannte Hauptversammlung statt. Im Büro von Ferdinand Eberle. Mit ihm als dem einzigen Stimmberechtigten. Obwohl die Satzung der TIWAG (§ 14) zwingend vorschreibt „Die Hauptverhandlung wird durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder den Vorstand durch einmalige Bekanntmachung der Einladung im Amtsblatt der ‚Wiener Zeitung‘ und im ‚Bote für Tirol‘ einberufen.“, ist eine solche nicht erfolgt. Die Gültigkeit von Eberles dauernden Beschlüssen mit sich selber wird also noch zu klären sein. Das vorliegende Protokoll der Hauptversammlung vom 30.8.2001 hält fest: „Eine Kundmachung der Einberufung zur heutigen Hauptversammlung war nicht erforderlich, da der einzige Aktionär vom Termin der Versammlung und von der Tagesordnung derselben rechtzeitig verständigt worden ist.“ Eberle beschließt also, daß der Vorstand der TIWAG ermächtigt wird, „eine US-Leasingtransaktion für die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz nach ihrer Finalisierung abzuschließen“.

Inzwischen ereignet sich „9/11“. Die US-Anwälte und die Banken erschrecken, zumindest für einen Moment. Der Abschluß des Deals ist in Gefahr. Aber Eberles ÖVP macht, ich möchte nicht sagen „unverrückt“, weil das nicht stimmt, macht ungebremst weiter. Noch in dieser Katastrophenwoche, die Zahl der Terror-Opfer steht noch lange nicht fest, wird per Umlaufbeschluß, das heißt, im beschleunigten „Umlauf“ durch die Büros aller Mitglieder der Tiroler Landesregierung, dem Antrag auf „Abschluß einer Cross Border Leasing Transaktion für die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz“ die Zustimmung erteilt. Man sieht, der Täterkreis erweitert sich. Der Landesregierung gehören zu diesem Zeitpunkt an: Wendelin Weingartner, Ferdinand Eberle, Herbert Prock, Konrad Streiter, Elisabeth Zanon, Christa Gangl und Günther Platter. In der regulären Landesregierungssitzung am 18.9.2001 wird der einstimmig erfolgte Umlaufbeschluß nur noch formal zur Kenntnis genommen und unter Zl. VII-7/720/45 protokolliert.
Man möchte meinen, es hätte irgend jemanden in der TIWAG oder im Landhaus gegeben, der zumindest an das Aussetzen der Vertragsverhandlungen gedacht hätte. Am Freitag, dem 21.9.2001 zerbröseln die Börsenkurse. Eberles TIWAG aber beschleunigt sogar noch das Tempo. Mitgliedern des Tiroler Landtages wird am 27.9.2001 im prunkvollen Rokoko-Saal des Landhauses unter dem Titel „Cross Border Leasing - Informationsveranstaltung für die Abgeordneten des Tiroler Landtages“ von der TIWAG eine Pseudo-Show mit bunten Folien geboten. Die Damen und Herren Abgeordneten wurden verarscht und haben sich verarschen lassen: Die präsentierten Zahlen stimmen überhaupt nicht, die Hintermänner werden nicht genannt, die Risken des Geschäfts werden heruntergespielt. Keine Rede von Wegerechten im Grundbuch, von Ranganmerkungen zur Veräußerung, von Namens-Plaketten der Trusts in den Maschinenräumen. Was haben die Abgeordneten zu hören bekommen über diesen Deal? Nur das beste.
Man hat ihnen auch nicht gesagt, daß bei einem Nichtabschluß des Deals laut vorvertraglicher Vereinbarung die TIWAG die gesamten angelaufenen Kosten in der Höhe jenseits der 100 Millionen-Schilling-Grenze zu zahlen hätte. Mit dieser Knute prügeln die amerikanischen Investoren ihre europäischen „Partner“ die letzten Meter zur Vertragsunterzeichnung. Für die US-Konzerne, die sich auf die „Sellrain Silz Pump Storage Hydro-Electric Power Generating Facility“ gestürzt haben, macht - nach einer kurzen Schrecksekunde - gerade eine sichere Investition im sicheren Österreich besonderen Sinn. Denn drüben ist plötzlich jede Industrieanlage, jeder Geschäftskomplex, jeder Büroturm vermeintlich dem „Al Kaida-Terror“ ausgesetzt. Um wieviel mehr hätten die Verantwortlichen in Tirol, wenn es Leute, die diesen Titel verdienen, gegeben hätte, davor zurückzucken müssen, so terroranfällige Güter wie die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz mit ihren beiden Stauseen, jetzt noch, im September 2001, ausgerechnet zwei US-Konzernen zu überschreiben! Nichts von alledem!

So wie der TIWAG-Vorstand, der TIWAG-Aufsichtsratsvorsitzende Eberle samt dem von ihm nominierten, will sagen dominierten Aufsichtsrat und der Landeshauptmann als gesetzlicher Eigentümervertreter der TIWAG heute, Frühjahr 2005, auf diese Homepage hier reagieren, zeigt in erschütternder Weise, unter welcher gewaltigen Fuchtel amerikanischer Anwälte die TIWAG heute steht. Die 95,4 Millionen Dollar, die für den Sellrain-Silz-Deal auf das Konto der TIWAG geflossen sind, sind nicht anders denn als Schweigegeld für den ganz großen Coup der US-Investoren zu sehen.
Was hier geschehen ist, ist einmal wirklich ein Kapital-Verbrechen im wahrsten Sinn des Wortes. Hier wurden unbezahlbare Werte, die von den Generationen vor uns erarbeitet worden sind, nicht nur uns, sondern noch Generationen nach uns entzogen.

Beweisaufnahme
Wie verantworten sich die so unverantwortlich handelnden Verantwortlichen nun? Jeder reagiert genau so, wie es seiner charakterlichen Disposition entspricht.
Herbert Hönlinger, der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende der TIWAG, ist offenbar untergetaucht.
Hermann Meysel, damaliger kaufmännischer Vorstand der TIWAG, ist geständig aber uneinsichtig. Er scheint nicht in der Lage zu sein, die Schwere seiner Tat zu erkennen. In einer „Eidesstättigen Erklärung“ vom 10.3.2005, die dem Gericht vorliegt, heißt es: „Ich berate die TIWAG Tiroler Wasserkraft AG in allen Angelegenheiten betreffend die von der TIWAG in den Jahren 2001 - 2003 abgeschlossenen US-Cross-Border-Leasing-Transaktionen und habe in meiner damaligen Funktion als kaufmännisches Vorstandsmitglied der TIWAG die Verhandlungen betreffend die CBL-Transaktion ‚Sellrain-Silz‘ (Wasserkraftwerk Sellrain-Silz samt Nebenanlagen) geführt.“ Meysel zeigt nicht nur kein Schuldbewußtsein, sondern hat sich am 4.9.2002 vor Zeugen in Stuttgart sogar zur Aussage hinreißen lassen: „Cross Border Leasing: Wir würden es nochmal tun.“
Bruno Wallnöfer, Vorstandsvorsitzender der IKB, hat - im Falle, daß er eines hat - den Ausverkauf der städtischen Infrastruktur auf dem Gewissen. Seine peinlichen Rechtfertigungsversuche zu den angelaufenen Untersuchungen gipfeln wie immer bei ihm in peinlichen Entgleisungen: „Das ist jetzt für die Wäsch’. Wozu soll das gut sein?“ Er versucht, durch objektiv falsche Behauptungen in den Vernehmungen durch die Journalisten, diese irrezuführen und attackiert, wie manch anderer, wenn es eng wird, die ermittelnden Personen, die Licht in die dunkle Sache bringen wollen: „Das kann nur nackte, fanatische Schädigungsabsicht sein.“ (Blickpunkt, 16.3.2005) Und kriminalisiert die angelaufene Beweisaufnahme zu den sittenwidrigen Handlungen als „sittenwidrige Kampagne“ (Radio Tirol, 21.3.2005). Aber Wallnöfer wäre nicht Wallnöfer, würde er sich nicht in der Sache selbst letztlich plump herausreden wollen: „Unterzeichnet wurden die Verträge von Anwaltskanzleien im Rahmen der erteilten Vollmacht.“ (Blickpunkt, 16.3.2005)

Die Untersuchungen werden sich in nächster Zeit besonders auf die politisch greifbaren Verdächtigen konzentrieren.
Helmut Mader, als Landtagspräsident höchster und höchstdotierter Demokrat des Landes, hat mehrere Alibis vorgelegt, die noch überprüft werden. Er verantwortet sich bislang damit, eh „skeptisch“ gewesen zu sein und eh „ein flaues Gefühl“ dabei gehabt zu haben.
Seine Schutzbehauptungen dürften den direkten Gegenüberstellungen (u.a. mit seinem Sohn, dem TIWAG-Marketing-Chef Wolfgang Mader) und den Sachbeweisen nicht standhalten. Wie gesagt, die Rechtfertigungsstrategie ist eigentlich immer eine Sache der Persönlichkeitsstruktur.
Ferdinand Eberle, der Hauptbeschuldigte, zeigt keine Tateinsicht. Er streitet, was sein gutes Recht ist, bereits gerichtsbekannte Tatsachen schlichtweg ab. Auf Vorhalt, in den ihm zur Last gelegten Verträgen sei der Gerichtsort New York vereinbart worden, gibt er wahrheitswidrig zu Protokoll, der Gerichtsort sei „kein amerikanischer“ (Standard, 23.3.2005). Von Reue keine Spur. Oder nur in dem Sinne, daß er vor Zeugen gesagt haben soll, es reue ihn, nicht das gesamte Tiroler Stromnetz verleast zu haben. Wir haben es hier allem Anschein nach mit einem gefährlichen potentiellen Wiederholungstäter zu tun. Als Milderungsgrund könnte allenfalls eine mögliche Berauschung zum Tatzeitpunkt angenommen werden.
Herwig van Staa, sogar in allen acht anhängigen Fällen zwischen 2001 und 2003 tatbeteiligt, ob als Bürgermeister von Innsbruck, IKB-Eigentümervertreter, TIWAG-Aufsichtsratsmitglied, Tiroler ÖVP-Obmann, designierter oder installierter Landeshauptmann und damit gesetzlicher TIWAG-Eigentümervertreter, leugnet hartnäckig, mit der Sache der TIWAG-Deals überhaupt zu tun zu haben: „Die Cross-Border-Geschäfte der TIWAG seien vor seiner Amtszeit abgeschlossen worden, erklärte der LH.“ (Tiroler Tageszeitung, 16.3.2005) Aktenkundig ist hingegen, daß das sogenannte Closing der drei jüngsten TIWAG-Transaktionen (November 2002 - September 2003) eindeutig in seine am 26. Oktober 2002 begonnene (und wohl bald endende) Amtszeit datiert. Wörtlich hat er am 8.3.2005 im Rahmen seiner Dienstag-Pressekonferenz ausgesagt: „In meiner Amtszeit war kein einziger Cross-Border-Leasing-Vertrag.“ Trotz erdrückender Beweislage versucht er sich am selben Tag auch der Tiroler Tageszeitung gegenüber damit herauszureden, „daß die CBL-Geschäfte der TIWAG noch aus der Zeit seines Vorgängers Weingartner stammen. Er habe die Verträge nie gesehen. Die Frage nach einem schuldhaften Verhalten stelle sich derzeit nicht.“
Diese Frage stellt sich sehr wohl. Allerdings beginnt sich bei einer Realitätsverweigerung in diesem pathologischen Ausmaß auch die der Schuldfähigkeit aufzudrängen. Die der Amtsfähigkeit sowieso.

5.4.2005

Teil 3: Die Stunde der Patrioten

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