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ORF erpressen


Der ORF Tirol hat sich wirtschaftlich in ziemliche Abhängigkeit von der TIWAG begeben. Jeder Furz, den er läßt, wird „unterstützt“ „sponsored“ oder „powered“ von ihr, bis hinunter zu Veranstaltungen im Kulturhaus. Das eingeblendete rote Quadrat „tiroler wasser kraft“ ist zu einer Negativpunze geworden und schmückt nicht nur den Bildschirm nicht wirklich, sondern vor allem auch den ORF Tirol nicht.
Um zu verstehen, was in diesen Tagen im Landesstudio abläuft, ist ein bißchen Vorwissen nötig.

Markus Sommersacher ist seit Jahren Chefredakteur des ORF Tirol und wäre seit noch mehr Jahren gern Intendant. Er hat seitdem Rudolf Nagiller, Roland Adrowitzer, Helmut Kaiser und Robert Barth an sich vorbeiziehen lassen müssen. Seine nächste Chance sieht er in der politischen Neubestellung 2006. Deswegen kann’s gar nicht Unterwürfigkeit genug sein. Ein kleines Geschichtchen dazu aus dem Herbst 2004 steht im „Tagebuch“. (Wie sich van Staa in den ORF hineingebrüllt hat … ) Wie sagte unlängst van Staa: „Ich persönlich schätze allerdings Herrn Sommersacher als kompetenten Chefredakteur.“ (Neue, 16.6.05)
Aber wir müssen noch weiter zurück: Im Dezember 1992 habe ich im FÖHN unter dem Titel „Geld regiert“ die geheime Finanzierung u.a. der Tiroler ÖVP durch die Landesgruppe Tirol der Vereinigung Österreichischer Industrieller (VÖI) mit mehr als dreißig Originalbelegen dokumentiert. Beim Erscheinen des Heftes hat VÖI-Geschäftsführer und ÖVP-Landtagsabgeordneter Dietmar Bachmann sofort die führenden Journalisten von ORF, TT, Kurier und Kronenzeitung angerufen und sie gebeten, nicht über diesen FÖHN zu berichten. Das ging eine Woche lang gut, bis der damals gerade installierte SP-Landesparteisekretär Herbert Prock dieses landesweite komplette Totschweigen mit einer Aussendung durchbrochen hat. Daraufhin hat Bachmann, um ja auf die aufklärungsbedürftigen serienweisen Industriespenden an Landeshauptmann Wallnöfer und Co. nicht eingehen zu müssen, flugs auf Kriminalisierung umgeschwenkt. Es muß damals wohl auch so eine Intendanten-„Wahl“ angestanden sein, jedenfalls ist Herr Sommersacher herbeigeeilt, um sich der ÖVP nützlich zu machen. Er hat, ohne mir die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu geben, mehrmals in den Radio-Nachrichten ungeheuerliche Behauptungen verbreitet: „Aufklärungsbedürftig sei, wie der FÖHN in den Besitz der Dokumente gelangt sei, meint Bachmann. Es liege der Verdacht vor, daß sie auf kriminelle Weise beschafft worden seien.“ (22. und 23.12.1992) Da mir nicht einmal die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben worden war, habe ich daraufhin eine Beschwerde nach § 27 RFG Abs. 1 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes eingebracht. Die Verhandlung Wilhelm gegen Sommersacher wurde auf den 2. März 1993 in Wien anberaumt. Ich bin nicht hingefahren. Markus Sommersacher ist in der Früh hinuntergeflogen und abends mit dem Bummerl zurückgekommen. (Bescheid der Rundfunkkommission [PDF 6 Seiten, 1 MB]) Und das zehrt. Bis heute.

Und so hat Markus Sommersacher auf Rache gesonnen. Mit seiner Absetzung dreier ORF-Beiträge über die TIWAG-Projekte wollte er erstens dem Landeshauptmann (der „Herrn Sommersacher als kompetenten Chefredakteur“ schätzt) die Füße küssen, zweitens der TIWAG zu Diensten sein und drittens mich treffen. Der Reihe nach.
Am 3. Mai dieses Jahres wurde in der ORF-Sendung „Report“ ein Beitrag von Claudia Ernstreiter und Markus Sint über die TIWAG-Pläne im Ötztal und den Widerstand dagegen ausgestrahlt. Daraufhin hat es laut Markus Sommersacher „bereits heftige Proteste von Seiten der TIWAG und des Tiroler Landeshauptmanns, u.a. beim Landesdirektor Tirol sowie der Frau Generaldirektorin des ORF gegeben“ (Schreiben Sommersachers an die ORF-Mitarbeiter vom 15.6.05). Ja, das kann van Staa am besten. Wäre es da, statt immer und überall zu intervenieren, pausenlos Beschwerdebriefe loszulassen, Journalisten niederzumachen, nicht bei weitem einfacher, das zu tun, was die Tiroler Bevölkerung will?

In einer Zuschrift an die Internetausgabe des Standard unter dem Pseudonym „stubaitalbahn“, das allem Anschein nach aus der TIWAG kommt, heißt es „dass meine Chefs, die beiden Tiwag-Vorstandsdirektoren Dr. Bruno Wallnöfer und DI Alfred Fraidl im Landesstudio Tirol bei Direktor Robert Barth und Chefredakteur Markus Sommersacher vorstellig geworden sind, um gegen die ORF-Berichterstattung zu protestieren und (so die in der Tiwag-Chefetage kursierende Version) unmißverständlich klarzumachen, dass dieser Zustand nicht akzeptiert wird. Dr. Wallnöfer hat klar mit der Aufkündigung sämtlicher Kooperationen Tiwag-ORF gedroht, sollte sich die Berichterstattung nicht entscheidend ändern. Daraufhin muß Herr Sommersacher dann die drei Sendungen abgesetzt haben.“ (Posting „stubaitalbahn 15.06.2005 10:12“)

Inzwischen hatten wir das nach einem Videomitschnitt von uns selbst hergestellte Sendungsmanuskript des Report-Beitrags auf diese Internetseite gestellt. Aufgrund von Interventionen aus Tirol hat uns die Rechtsabteilung des ORF in Wien dann per Einschreiben aufgefordert, „dieses Vorgehen unverzüglich zu unterlassen und darüber hinaus die beiliegende Unterlassungserklärung unterfertigt per Post an den ORF … zu retournieren. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachkommen, behält sich der ORF gerichtliche Schritte vor.“ (Schreiben vom 20.5.2005) (mehr …)

Die Protestaktion der Südtiroler Bauern anläßlich ihres alljährlichen Schafübertriebs vom Schnalstal ins hintere Ötztal, der angebliche Auslöser der ORF-Affäre, ist zu dieser Zeit erst in Vorbereitung. Die beiden Schnalser Agrargemeinschaften Niedertal und Rofenberg (die die gleichnamigen Weideflächen hinter Vent besitzen) werden in der Organisation des ganzen vom „Aktionsbündnis Ötztal“ in der Weise unterstützt, daß dieses einige ausgewählte Medien in Österreich und Deutschland zur Massen-Demonstration der 2000 Schafe bei der Similaunhütte einlädt. Diese spezielle Aufgabe habe ich - „für das Aktionsbündnis“ - übernommen und per Mail verschiedene Medienvertreter eingeladen. Ein solches ergeht - als einzigen Adressaten im Landesstudio Tirol - an den zuständigen Redakteur Markus Sint, und auch dies viel später und nur der Form halber, da er zu diesem Zeitpunkt bereits die Unterbringung für ein Fernsehteam auf der Similaunhütte fix gebucht hatte. - - - Drei Tage vor dem Schafübertrieb ist Markus Sommersacher suspekterweise im Besitze eines Einladungs-Mails, das nie an ihn ergangen ist. (Wie er an dieses herangekommen ist, wird noch aufzuklären sein.) Für ihn schlägt damit die große Stunde! Darauf hat er lange gewartet. Jetzt kann er, Traum jedes Karrieristen, treten und buckeln in einem, kann einen Bauchfleck für TIWAG und Landeshauptmann auf dem Landhausplatz hinlegen und seine Redakteure niederpracken. Und sich an mir, endlich für die Schmach von 1993 revanchieren. So hat er es sich vorgestellt.

Per „schriftlicher Weisung und ohne Angabe von Gründen“ (Standard, 15.6.2005) hat er kurzerhand „seinen“ Redakteuren die Arbeit an drei bereits vereinbarten und fix ins Programm eingeplanten Fernsehbeiträgen über die Kraftwerksprojekte der TIWAG untersagt: 1. „Tirol Heute“-Bericht über den Widerstand der Schnalser Bauern gegen ein Kraftwerksprojekt auf ihrem Grund und Boden (ORF Tirol), 2. Sendungsbeitrag für „Land und Leute“ über den Schafübertrieb und die aktuelle Gefährdung der Hochalmen durch die TIWAG-Pläne (ORF-Wien), 3. Sendungsbeitrag für das „Alpen-Donau-Adria-Magazin“ über die Rentabilität neuer Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen (ORF Steiermark). Der letztgenannte Bericht lag zu diesem Zeitpunkt bereits fertig gedreht im Schneideraum.
Die mehr als zweitausend Schafe zogen trotzdem in einem endlosen Protestmarsch gegen die TIWAG-Pläne auf ihren Sommerweiden aus dem Schnalsertal herauf und über das Niederjoch heraus auf die Venter Almen. Ausländische Rundfunkanstalten und um die zwanzig Zeitungen aus Österreich, Deutschland und Italien berichteten (mehr …)

Nur der ORF nicht, dem als Programmauftrag per Gesetz „die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen“ zwingend vorgeschrieben ist.

Daraufhin wurde am 13. Juni 2005, an dem z.B. die Tiroler Tageszeitung mit Aufmacher-Foto und der Kurier mit einer ganzseitigen Reportage über die beeindruckende Aktion auf 3000 m Seehöhe erschienen waren, eine ORF-Tirol-Redakteursversammlung einberufen. Dabei wurde „Chefredakteur Markus Sommersacher gebeten, seine Vorgangsweise zu überdenken, wozu er nicht bereit war“, wie es in einem Offenen Brief der Redakteursversammlung an die ORF-Generaldirektorin Monika Lindner und ORF-Landesdirektor Roland Barth heißt: „Daher sprechen die Redakteure des ORF Landesstudio Tirol Chefredakteur Markus Sommersacher ihr Misstrauen aus.“ „Für die ORF-Tirol-Redakteursversammlung ist die Weisung von Chefredakteur Sommersacher völlig inakzeptabel. Aus professionellen, gesetzlichen und ethischen Gründen. (…) Um derartige krasse Fehlentscheidungen künftig zu verhindern, bitten wir die Generaldirektorin und den Landesdirektor, geeignete Maßnahmen zu treffen.“ (Offener Brief vom 14.6.2005 [PDF 40 kB]) Da mußte sich der Landeshauptmann dann schon beeilen: „Ich persönlich schätze allerdings Herrn Sommersacher als kompetenten Chefredakteur.“ (Neue, 16.6.2005)

Das hat die TIWAG dem ORF eingebrockt. Das hat der ORF sich von der TIWAG einbrocken lassen. Auch wenn Direktor Barth im Standard vom 17. Juni sagt, „sobald ein Kooperationspartner Einfluss auf die Sendungsgestaltung nehmen will, trennen wir uns von ihm“, haben wir von einer Aufkündigung der Werbeverträge mit der TIWAG bis heute nichts gehört. Der Standard wollte wissen, welchen Umfang die Kooperationen zwischen TIWAG und ORF Tirol eigentlich haben, aber „Barth lässt diese Frage unbeantwortet“. (Standard, 17.6.2005) Er wird wissen warum.

Markus Sommersacher hat in einer hausinternen „Antwort auf Offenen Brief“ versucht, seinen Kopf zu retten, hat sich aber dabei sowohl um diesen als auch um den Kragen geredet. Daß er aus dem Aktionsbündnis Ötztal ein „Aktionskomitee“ macht, einen „Sprecher dieses Aktionskomitees“ schlicht erfindet und aus einem „bitten wir um Ihre Hilfe“ ein „aufforderte, sich einseitig instrumentalisieren zu lassen“ macht, nur nebenbei. Obwohl Markus Sommersacher nach eigener Aussage ja offenbar die Einladung zur Teilnahme am geschichtsträchtigen Schafübertrieb vorliegt, in welcher angekündigt wird, „die Medienvertreter bei dieser Gelegenheit an Ort und Stelle über die drohende Gefahr zu informieren“, schreibt er davon, daß das Ereignis „dazu verwendet werden sollte, um Stimmung gegen ein geplantes Kraftwerk zu machen“. Er wird’s nötig haben. Van Staa schätzt ihn übrigens „als kompetenten Chefredakteur“.
Warum konnte nach dessen zwingender Logik der ORF nicht über den Protest der Schnalser Bauern gegen Kraftwerksbauten auf ihren Almen berichten? Sommersacher: „Während den print-medien gestattet ist, Partei zu nehmen, ist dies dem ORF gesetzlich verwehrt. Aus diesem Grund musste daher die Berichterstattung durch den ORF unterbleiben.“
Als hätte der ORF nicht doch auch ohne Partei zu nehmen berichten können!

Und warum durfte die Redakteurin ihren dem Sendungsverantwortlichen des „Alpen-Donau-Adria-Magazins“ Dr. Günther Ziesel zugesagten und bereits bis ins Detail vereinbarten Fernsehbeitrag über „Die Problematik eines Pumpspeicherkraftwerks“ nicht fertigstellen? Sommersacher, sich die Objektivitäts-Larve so hastig herunterreißend, daß auch das Gesicht gleich mit verloren gegangen ist: „Dem Sendungsverantwortlichen von Alpen-Donau-Adria war auch nicht bekannt, dass es rund um diese Report-story bereits heftige Proteste von Seiten der TIWAG und des Tiroler Landeshauptmanns, u.a. beim Landesdirektor Tirol sowie der Frau Generaldirektorin des ORF, gegeben hatte.“ Daß er hier den Landeshauptmann, der doch diesbezüglich den ORF-Verantwortlichen nur einen „Hinweis“ gegeben hat (Standard, 17.6.2005), dermaßen in den Dreck zieht, wo ihn dieser umgekehrt „als kompetenten Chefredakteur“ schätzt, ist schlicht schofel. Interessant wäre eigentlich nur noch, was Sommersacher mit „u.a.“ gemeint hat. Wo hat es demnach außerdem „heftige Proteste von Seiten der TIWAG und des Tiroler Landeshauptmanns“ gegeben? (Rundmail Sommersacher [PDF 200 kB])

PS. Am Hohen Frauentag 2003 ist Markus Sommersacher von van Staa hoch dekoriert worden. Mit dem Ehrenverdienstkreuz des Landes Tirol. Am Gängelband.
PPS. Sommersachers sind mit Trawegers eng befreundet. Der Kreis schließt sich.

Berichterstattung im Standard (15,. 16., 17.6.2005) [PDF 44 kB]

12.7.2005

Teil 4: Anwälte füttern


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